Das zu enge Korsett sprengen

Körper sind Schauplätze politischer Diskurse. Egal ob im Mikro-Bikini, in Apple-Bottom-Jeans oder einem glamourösen Müllsack: Insbesondere weiblich gelesene Körper werden dabei zur Projektionsfläche und manchmal sogar selbst zum Trend erklärt. Zum Glück gibt es Frauen im Pop, die sich diesen Schuh nicht länger anziehen wollen. Denn im kreativen Spiel zwischen Mode und Pop steckt gesellschaftsveränderndes Potenzial.

Illustration von einer martialisch-wirkenden Gestalt, halb Mensch - halb Maschine, hockend, Augen nicht erkenntlich, blaue Lippen, rotte Haare.

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Magazin 01 / 2023

online veröffentlicht

09 September 2024

 

„In Körpern vereinen sich Gewalt und Widerstand, all die Scheußlichkeiten und Schönheiten unserer Welt. Und all die Utopien.“ So beschreibt es die Journalistin und Autorin Şeyda Kurt in ihrem Buch Radikale Zärtlichkeit. In dieser Theorie sind Körper Dreh- und Angelpunkt der Weltgeschichte, wahlweise Spiel- oder Schlachtfeld. Kleidung wäre demzufolge als Rüstung zu verstehen, vielleicht als Kampfansage. Ein Deckmantel. Wohn- und Rückzugsort.

Wenn Körper das Scheußliche und Schöne vereinen, kann Kleidung gleichermaßen Ausdruck von Selbstbestimmung oder Unterdrückung sein. Hat Kleidung sogar das Potenzial, gesellschaftlichen Wandel so weit voranzutreiben, dass aus den Utopien, die Körper in sich tragen, Realität wird? Was, wenn wir es mithilfe von Kleidung an Körpern schaffen, Schönheit und Scheußlichkeit in neue Verhältnisse zu setzen? Wenn wir Zuschreibungen wirklich aushebeln und Selbstbestimmtheit schaffen, wo wir auf Duldung warten?

Seit ich mich erinnern kann, ist mir bewusst, dass mein Mädchen- und später Frauenkörper mehr als meine private Angelegenheit, mein Rückzugsort, mein Zuhause, mehr als einfach nur meiner ist. Ich habe es erst als Erwachsene und mithilfe vieler wichtiger Diskurse der letzten Jahre in Worte fassen können. Aber das Gefühl, dass mein Körper Gegenstand fremder und oft öffentlicher Meinungen, Anforderungen oder Begierden ist, auf die ich meist keinen Einfluss habe und nach denen ich erst recht nicht gefragt habe, habe ich seit … immer.

So sehr Körper Schauplätze gesellschaftspolitischer Themen sind, so unfrei sind sie: Besonders weiblich gelesene Körper unterliegen bekanntlich nicht nur einem modischen Diktat, das hierarchisch bestimmt, wie schön ein Körper und welche Kleidung dementsprechend angebracht oder unangebracht ist. Weibliche Körper können selbst eine Modeerscheinung sein, die den Modetrend im Umkehrschluss vorgibt oder beeinflusst.

An dieser Erkenntnis kam ich als Popkultur-geprägte Teenagerin Ende der Neunziger und Anfang der Nullerjahre nicht vorbei. Die Entwicklung und kurzzeitige Koexistenz der Low-Rise-Jeans an dünnen Celebrities wie Britney Spears und der Ass-fokussierten Apple-Bottom-Jeans an J.Lo, Beyoncé oder Shakira sind nur zwei Beispiele dafür, wie Körpertypen zu dieser Zeit Modetrends definiert und eng definierte Körperbilder gepusht haben. Letztere als „curvy“ gefeierte Künstlerinnen boten mir persönlich zum ersten Mal eine Identifikationsfläche, die ansatzweise etwas mit meinem eigenen Körper zu tun hatte.

Offensichtlich aber hatten diese Schönheitsideale mit der realen Diversität weiblich gelesener Körper damals wie heute nichts zu tun. Alles, was von diesem Ideal abweicht, wird als weniger schön verurteilt. Als Makel, den es zu beheben gilt. Unter diesem Druck greifen nicht wenige (vor allem weiblich gelesene) Menschen zu drastischen Mitteln wie gesundheitsgefährdenden Diäten oder stark risikobehafteten Eingriffen – Stichwort Brazilian Butt Lift, um mal ein Extrembeispiel zu nennen.

Ohne an dieser Stelle darauf einzugehen, wie seit den Nullerjahren auch der immer größer werdende Einfluss von Social Media ein Katalysator für Body Dysmorphia und eine vielfältigere Repräsentation von Frauen gleichermaßen ist, bleibt unumstritten, dass Mode und Popkultur die Gesellschaft verändern können. Ich stelle mir nur die Frage, ob dieser Einfluss heute in einer als diverser wahrgenommenen Popkulturlandschaft auch einer feministischen Agenda zugute kommt. Sind FLINTA-Körper heute vom patriarchalen Diktat befreit? Gibt es echte Selbstbestimmung über Körper und die Art, diese einzukleiden?

„Bye bye Booty – Heroin Chic is back“ provozierte die New York Post im November 2022. Sicherlich eine kalkulierte Headline. Wenn ich mir aber das omnipräsente Y2K-Fashion-Revival ansehe, das auch 20 Jahre später vor allem auf dünne Körper ausgerichtet ist oder die aktuell in den USA grassierende Epidemie rund um die Ozempic-Abnehmspritzen, dann habe ich an einem echten Fortschritt, an einem tatsächlichen Übergang von „Body Positivity” zu „Body Neutrality” so meine Zweifel. Geradezu mustergültig lässt sich dieser Zweifel anhand der 2023 erschienenen Serie „The Idol“ belegen. Darin verkörpert eine sehr dünne Lily-Rose Depp in Looks von Alaïa, Vintage Versace oder einem Mini-Mikro-Bikini von Didu das Klischee des sehr nackten und dazu noch sehr zugedröhnten Millennium-Popstars. Der Körper ihrer Serienfigur wird in erster Linie ausgebeutet. Fremdbestimmt. Null Ownership.

Dass weiblich gelesene Menschen frei darüber entscheiden können, wie sie ihre Körper einkleiden, ohne dafür Aggression oder Ausschluss zu erfahren, ist bis heute eine Utopie. Weil wir aber manchmal Dinge sehen müssen, um zu verstehen, dass sie existieren und dass wir sie einfordern können, braucht es Vorbilder. Visuelle Repräsentation von Menschen, die weiterhin Grenzen einreißen, Normen ignorieren, Raum einnehmen und einen inakzeptablen Status quo herausfordern. Diejenigen, die Utopien nicht nur benennen oder schaffen, sondern sie leben – und sei es nur ausschnitthaft auf einem klar definierten Raum wie einer Bühne, einem roten Teppich, einem Magazincover. Die folgenden fünf Frauen sprengen auf unterschiedliche Weise das enge Korsett, in das Frauen passen müssen.

 

Rihanna: Slaying for Two

Ein leuchtend roter, eng anliegender Catsuit unter einem maßgeschneiderten Bustier aus gehärtetem Leder. Darüber ein von Fliegeruniformen inspirierter Jumpsuit im selben Rot, der Reißverschluss nur bis zum Unterbauch zugezogen: In diesem ikonischen Loewe-Look schrieb nicht nur Rihanna beim Superbowl Geschichte, sondern auch ihr ungeborenes Kind. Rihanna ist erst die achte Frau, die die Halftime Show als Headlinerin bespielt hat – und die erste Schwangere. Visibilität von schwangeren Frauen hat sich über die Jahrzehnte gewandelt: Es ist nicht mehr der mit Scham behaftete „andere Umstand“. Popstars zeigen sich nicht nur offener und persönlicher mit Babybäuchen. Sie inszenieren diese regelrecht.

Ein beliebtes Motiv dabei ist religiöse Ikonografie, insbesondere die madonnenhafte Darstellung: Nicki Minaj did it, Beyoncé did it twice – einmal mit Babybauch, ein weiteres Mal mit ihren geborenen Zwillingen. Alle channeln damit ihre oft zitierte feminine Göttlichkeit. Einen provokativen Bruch damit lieferte die spanische Musikerin Zahara, die für ein Plakatmotiv während ihrer Schwangerschaft zwar auch als Heilige posierte, auf deren Schärpe aber „puta“, also Hure, stand.

In Abgrenzung zu diesen Inszenierungen ist Rihannas Auftritt so bemerkenswert wie neu, weil er kein stilisiertes Image abgibt. Sie ist immer noch Robyn Rihanna Fenty, nur eben schwanger. Oft titelten Medien, sie würde die Schwangerschaftsmode neu erfinden. Der entscheidende Punkt ist für mich, dass ihr Superbowl-Look eben gerade nicht aus Schwangerschaftsmode bestand, sondern aus einem Designer-Piece, in dem ich Rihanna auch ohne runden Bauch sehe. Nur hätte dann der Zipper vielleicht anders gesessen.

Zudem hat Rihanna nie versucht, ihren „Umstand“ zu kompensieren: Weder vertuschte sie, dass sie selbstverständlich in ihrer (Tanz-)Bewegung eingeschränkt war, noch wurden Gastmusiker:innen zum Auftritt eingeladen. Sie war der Star, ohne Zweifel, ohne Kompromiss, ohne Entschuldigung. Ein Moment von Ownership, in dem sie selbst entschieden hat, wie sie ihre Schwangerschaft publik machte und wie sich sich schwanger darstellte. Nicht als Madonna, nicht als Hure, sondern einfach als Ausdruck ihrer selbst.

 

Kim Petras: Kokosnüsse & Pailletten

Der Bikini – zwei kleine Stückchen Stoff, an denen sich die Geister scheiden. Begünstigt der Bikini patriarchale Objektifizierung? Oder ist er ein Vehikel für eine mehrdimensionale Handlungsfähigkeit von Frauen, selbstbestimmt ihren Körper zu kleiden? Ob sich diese Fragen wirklich beantworten lassen, spielt nur bedingt eine Rolle, weil nicht nur die Deutungshoheit, ob ein Bikini an sich angebracht ist, immer noch viel zu wenig bei den Frauen selbst liegt, sondern vor allem, wer in diesem Bikini angebracht ist.

Patriarchal geprägter gesellschaftlicher Konses scheint: Der Bikini gehört in erster Linie an junge, normschöne cis Frauenkörper. Als popkulturelle Krönung der Bikini-Schöpfung galt jahrzehntelang die jährliche Swimsuit Issue des Magazins Sports Illustrated, die lange ausschließlich jene cis Models wie Elle Macpherson, Tyra Banks, Heidi Klum oder Kate Upton auf dem Titel zeigte.

2023 schaffte es die deutsche Popmusikerin Kim Petras auf das Cover der Sports Illustrated – als zweite trans Frau in der Geschichte des Magazins. Auch wenn der Anspruch erstrebenswert ist, Genderidentitäten gar nicht mehr thematisieren zu müssen, braucht es im Jahr 2023 statt eines popkulturellen Momentums vielleicht genau das als plakatives gesellschaftspolitisches Statement. Und wenn nicht Kim als makellose Blond Bombshell mit ihren in einen goldenen Paillettenbikini gehüllten „Coconuts” (wie einer ihrer Songs heißt) im tropischen Setting auf das Cover der Swimsuit Issue gehört, wer denn bitte sonst?

 

Shygirl: Powerpuff Girls

Eine meiner eindrucksvollsten Popkultur-Erinnerungen: Als ich mit elf Jahren beim heimlichen MTV-Gucken das erste Mal Missy Elliotts Video zu „The Rain (Superfly)“ gesehen habe. Neben der Musik beeindruckte mich vor allem diese unglaublich schön geschminkte Frau in einem schwarzen aufgepumpten Lack-Ganzkörperanzug, den ich für immer als „Glam-Müllsack” abgespeichert habe. Damit nahm sie den ganzen Raum beziehungsweise das ganze Set ein. Was das auf irgendeiner Meta-Ebene bedeutet, konnte ich als Pre-Teen natürlich nicht ahnen oder verbalisieren. Aber diese Idee des buchstäblichen „Raumeinnehmens“ und sich insbesondere als mehrgewichtige Frau nicht klein zu machen, ist das, was heute auch an der Künstlerin Shygirl visuell spannend ist.

Da wäre zum Beispiel das Cover ihres 2022er-Albums Nymph. Darauf verschwindet ihr Körper in einem riesigen androgynen Puffer Jacket in Babyblau, um im nächsten Moment in einer Mugler-Kampagne im hyperfemininen Minikleid zur Schau gestellt zu werden. Shygirl setzt sich über Schubladen hinweg, indem sie sich erst recht an allen bedient. Damit entzieht sie sich einer modischen Gefälligkeit, der vermeintlichen Holy Trinity aus „cute, sexy, pretty“ – am besten bitte alle drei gleichzeitig.

Shygirls Look ist im Gegenteil eher „spooky, weird and unpleasant“, so wie auf dem Cover ihrer 2020er-EP Alias: Darauf schauen uns ein Paar Augen, ein Augenbrauenpiercing und dunkelpink geglosste Lippen durch eine Art fleischige Latexwand entgegen. Dass sich Shygirl weder musikalisch noch ästhetisch festlegen will, manifestiert sie auf ebendieser EP darin, dass sie dafür direkt vier Aliasse kreiert, die das Magazin Dazed folgendermaßen vorstellt: „Baddie, Bonk, Bovine and Bae. Think Bratz dolls meet Hatsune Miku, cast in a Hype Williams video.“ Hype Williams führte für das oben genannte Missy-Elliott-Video Regie. Für mich ein popkultureller Full Circle Moment.

 

Cardi B: Cinderella auf Steroiden

Wenn es um Hypersexualität in der Popkultur als Zeichen weiblicher Widerspenstigkeit und Selbstermächtigung geht, ist ein bisheriger Höhepunkt wahrscheinlich der Song und das dazugehörige Video „WAP“ von Cardi B und Meghan Thee Stallion. Die Songzeile „I wanna gag, I wanna choke, I want you to touch that lil' dangly thing that swing in the back of my throat“ ist genauso explizit wie die Outfits im Clip: Cardi B ist die personifizierte Bad-Bitch-Barbie im rosa Nicolas-Jebran-Body mit passenden federbesetzten Handschuhen, verweist im neongrünen Onepiece mit halbtransparentem Layering von Mugler auf Rap-Pionierin Lil’ Kim in „Crush on You“ oder mutet im superknappen Python-Bodysuit an wie die verführerische Schlange im Paradies. Sowohl lyrisch als auch visuell owned die Künstlerin ihre Sexualität. Und zwar ohne sich dafür zu entschuldigen.

Ganz im Sinne von sexueller Befreiung und Sex Positivity des Dritte-Welle-Feminismus wird dabei nicht mehr negiert, dass auch eine sexualisierte Frau Feministin sein kann. Cardi B akzeptiert die eigene Objektifizierung nicht nur, sie kapitalisiert sie und macht sie sich zu eigen. Sie stellt sich selbst dar, statt dargestellt zu werden.

Daraus, dass sexy Outfits schon zu ihrer früheren Tätigkeit als Stripperin gehörten, hat Cardi B nie ein Geheimnis gemacht. Ganz im Gegenteil: Sie nutzt jede Gelegenheit, die Doppelmoral und Stigmatisierung rund um Sexarbeit zu betonen und Respekt dafür einzufordern. Damit ist sie eine wichtige Fürsprecherin des intersektionalen Feminismus, der dafür plädiert, neben Aspekten wie Gender auch Race und Class zu berücksichtigen.

Denn machen wir uns nichts vor: Auch ein Grammy, 169 Millionen Follower und die Akkumulation endloser Statussymbole ändern nichts daran, dass Cardi B vor allem für Menschen mit angeborenen Privilegien (z. B. weiß, wohlhabend, bürgerlich) immer „Cardi B, die ehemalige Stripperin“ bleiben wird. Gerade deswegen ist ein eigens in die Hand genommenes Reframing dieses Stereotyps, zu laut und generell „too much” zu sein, von Bedeutung. Auch, weil dieses Stereotyp meist vor allem Frauen of Color zugeschrieben wird.

In einer Welt, die so sehr über Bilder funktioniert, hat visuelles modisches Reframing Schlagkraft: Wie Cardis Auftritt in mondäner schwarzer Schiaparelli-Robe aus Samt mit Golddetails auf dem roten Teppich vor der Haute-Couture-Schau des Hauses Schiaparelli in Paris im Sommer 2023. Bereit, ihren Platz in der Front Row einzunehmen. Eine vermeintliche Art von Ritterschlag, in die feine (natürlich ekelhaft klassistische) Gesellschaft aufgenommen zu werden, den sie eh nicht nötig hat. Möchte man nur einen Bruchteil der Menschen erreichen, die Cardi B offensichtlich anspricht, funktioniert elitäres Gatekeeping in der Mode sowieso nicht mehr. Dass die Cinderella-Story auf Steroiden eher kapitalistische Instrumentalisierung als echter Abbau von Klassismus ist, bezweifle ich nicht. Aber schenkt man der Macht von Repräsentation Beachtung, hat allein Cardis Anwesenheit natürlich immensen Impact. Sie trug die Mode, nicht andersherum.

 

070 Shake: Keine Labels, bitte!

„I let it all go, of everything I know, and nothing hurts anymore, I feel kinda free” – diese Songzeile von 070 Shake auf Kanye Wests 2018 erschienenem Album Ye ist unvergessen. Dass die US-amerikanische Rapperin schon seit Jahren den Kampf gegen Zuschreibungen kämpft, verdeutlicht der Titel ihres Albums You Can’t Kill Me If I Don’t Exist. Der Ansatz, Normen, Erwartungen und Pflichten abzustreifen, geht bei der Künstlerin über Musik, Lyrics und Plattentitel hinaus.

707 Shake mag keine Labels – auch nicht bei ihrer Partner:innenwahl. Dies ist nicht als Coming-out zu verstehen, sondern als genau das: kein Label. Diese Art der Reduktion prägt auch ihren Look: Natürlich sind ein klassisch weißes Calvin-Klein-T-Shirt, eine Baggy-Anzughose von Dries Van Noten oder schwarze Leder-Bikerboots von Telfar auch ein Fashion Choice und damit ein Statement. Aber eben ein subtiles, stark runtergedampft auf eine Art Basic-Ausstattung in verschiedenen Abwandlungen, ohne sich je dem Konzept der Uniformierung zu verschreiben – denn das wäre vielleicht schon wieder zu sehr „Label“.

070 Shake entzieht sich dadurch der Berichterstattung und der öffentlichen Diskussion über genau diese Labels – was ja oft nur dazu dient, musikalische Errungenschaften weiblicher Popmusiker:innen zu diskreditieren oder von diesen abzulenken. Das schafft Raum dafür, dass tatsächlich über ihre Musik gesprochen wird – abseits von Kleidung, Beziehungen oder Dingen, an denen weibliche Künstlerinnen ebenso gemessen werden. Liegt es an der Tatsache, dass sie sich nach binären Denkschubladen eher „männlich“ kleidet? Muss man also so wenig wie möglich stereotype „Frau“ sein, um einfach nur an der eigenen Musik gemessen zu werden?

Illustration von einer abstrakten Gestalt, halb Mensch - halb Maschine, Augen nicht erkenntlich, befindet sich in einem Strudel

 

Es gibt noch viel zu tun. Diese in der Popmusik agierenden Künstlerinnen haben es sich nicht zwingend zur Aufgabe gemacht, treffen vielleicht noch nicht mal bewusst die Entscheidung dazu, mit ihrer Art, sich zu kleiden irgendeine Art von Aktivismus zu betreiben. Aber die bloße Tatsache, dass sie sich selbst als Frauen identifizieren oder von der Öffentlichkeit als solche identifiziert werden und dann auch noch selbst entscheiden, wie sie sich darstellen, ist politisch. Weil ein Frauenkörper und die Kleidung, die dieser trägt, immer politisch sind.

Frauen ohne Grammy, Follower:innenschaft und Red-Carpet-Auftritten geht es da nicht anders. Genau deshalb ist Sichtbarkeit bei allem Frust ein mächtiges Instrument. Einmal gesehen, sind diese Bilder nicht mehr auszulöschen. Sie alle füttern eine Idee, die vielleicht irgendwann einmal zur Realität heranwachsen kann oder in die wir uns jetzt zumindest gedanklich zurückziehen können.

Denn, um auf Şeyda Kurts Zitat zurückzukommen: Auch in meinem Körper vereinen sich Gewalt und Widerstand, all die Scheußlichkeiten und Schönheiten unserer Welt. Und all die Utopien.