Deutschlands Verhältnis zu Popmusik ist ambivalent – das hat mit dem Selbst- und Fremdverständnis der Branche zu tun. Warum es eine langweilige Revolution braucht.
Von Feinsinn und Unsinn: Die deutsche Unfähigkeit, Pop ernst zu nehmen
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Magazin 01 / 2023
online veröffentlicht
14 August 2024
Adorno fand Popmusik und die Beatles doof. Sein Problem mit Pop und Pilzköpfen: Es biedere sich alles zu sehr an die Gewinnmaximierung an. Es gäbe hinter der Popmusik keinerlei ästhetischen oder höheren Anspruch. Das ist zwar lange her und die Welt mittlerweile eine andere, aber die Kommerzialisierung der Kreativwirtschaft wurde seit den 1960er-Jahren aggressiv vorangetrieben. Es ist davon auszugehen, dass der Philosoph seine Haltung heute nicht revidieren würde. Zumindest nicht öffentlich – laut Adorno-Gossip hörte der Wissenschaftler heimlich Jazz-Platten und die späten Beatles-Alben.
Adornos Haltung ist symptomatisch für ganz Deutschland, und zwar bis heute: Deutschland hat ein Problem mit Pop. Es gibt ein allem unterliegendes Unvermögen, Popmusik ernst zu nehmen. Vielleicht hat das was mit den Überbleibseln des preußischen Arbeitsethos zu tun, der uns noch in den Knochen steckt und es schwer macht, Dinge zu respektieren, die leichtfüßig wirken (sollen): Nur wer hart arbeitet, hat Erfolg auch verdient. Deshalb ist eine Helene Fischer, deren permanente Emsigkeit wichtiger Teil des Images ist, okay. Deshalb ist die ernsthafte Klassik, für die man staatlich abgenickte Kunstfertigkeit braucht, auch okay. Aber eben keine Radiohits, die, wenn gut gemacht, widerstandslos in die Gehörgänge ihres Publikums sprudeln.
Gefördert wird die große Ernsthaftigkeit
Entsprechend wird weiterhin am liebsten in institutionalisierte Ernsthaftigkeit investiert. Öffentliche Förderungen gehen immer noch vornehmlich an die Klassik. Das ändert sich zwar gerade langsam – die Nachwuchsförderung Jugend musiziert etwa hat 2009 (nach 45-jährigem Bestehen) Popmusik-Kategorien aufgenommen. Aber die Grundhaltung bleibt: Gefördert werden gemeinnützige Projekte und somit nicht Popmusik. Die gilt als kommerziell und muss sich deshalb an Wirtschaftsförderungen wenden – wo es wiederum um erzielte Gewinne geht.
Diese Wirtschaftsförderungen sind an sich kein Problem und es soll mitnichten Pop gegen Klassik ausgespielt werden. Es geht vielmehr darum, dass eine fragwürdige Schräglage besteht, wenn es um die öffentliche Betrachtungsweise klassischer und populärer Musik geht: Popmusik hat laut dieser vermeintlich keinen inhärenten Wert und erwirbt diesen erst durch ihre Marktfähigkeit. Der inhärente Wert der Klassik wird nicht hinterfragt.
Zu Recht weist Claudia Roth (Die Grünen), Staatsministerin für Kultur und Medien, gerne immer wieder auf die demokratisierende Wirkung von Pop hin. Jede große Revolution seit den 1950er-Jahren hatte ihren Soundtrack – man denke an die 68er oder die MeToo-Märsche. Popmusik läuft mindestens parallel zu gesellschaftlichen Umwälzungen, kann ein Korrektiv sein und potenziell politisch. Hier werden unbequeme Themen als erstes angesprochen, gesellschaftliche Umstände hinterfragt, Grenzen ausgelotet und Tabus gebrochen.
Und manchmal wird einen Sommer lang der Macarena getanzt oder Miley Cyrus dabei zugehört, wie sie sich selbst „Flowers“ kaufen kann – weil es Zerstreuung braucht oder einfach Spaß macht. „Das, was alle angeht, nimmt kulturell die Gestalt des Populären an“, fasst Diedrich Diederichsen es in seinem Buch „Über Pop-Musik” (2014) pointiert zusammen. Popmusik ist Zeitgeist oder gar Seismograf für die Gegenwart und hat dabei dasselbe Spektrum wie diejenigen, die sie abbilden: von Unsinn bis Feinsinn.
Aber auch innerhalb des Popmusik-Kosmos wird permanent die eigene Ernsthaftigkeit verhandelt. ZEIT-Kulturredakteurin Julia Lorenz analysiert in ihrem jüngst veröffentlichten Text „Die Taylor Swift der Indiewelt“ die Musikerin Phoebe Bridgers. Diese gilt als Indie-Musikerin – trotz gleichzeitiger Massentauglichkeit ihrer Musik. Lorenz erklärt die Ambivalenz eines Superstars, der sich in einer alternativen Szene bewegt, „in der Superstars eigentlich nicht vorgesehen sind.“ Bridgers, so Lorenz, habe von Anfang an in ihrer Musik auf Glätte gesetzt und sich so vor dem Vorwurf des Ausverkaufs bewahrt.
Der Artikel folgt folgender Regel: Entweder man macht Musik mit Anspruch oder man verdient Geld. Liest man sich durch die Musik-Journaille seit den 1990er-Jahren bis ins erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, durch die ganzen Spex-Artikel und stichprobenartig durch das Werk des nahezu unantastbaren Popmusik-Journalisten Martin Büsser, scheint diese Gleichung von noch viel größerer Wichtigkeit. Es gibt das „Wir“: diejenigen, die die Musik ernst nehmen und sich darin gefallen, sperrige Genres jenseits des Mainstreams zu feiern. Und „die anderen“, die sich von massentauglichem Gedudel zuschwallern lassen und sich mit einem bedauernswerten Leben, begleitet vom musikalischen Mittelmaß, zufriedengeben. Es ist das Gegenüberstellen von Indie-Musiker:innen, denen grundsätzlich ein Authentizität-Vorsprung vor allen anderen zugestanden wird, weil sie noch „richtige“ Instrumente spielen, und den Musiker:innen aus der Dose, etwa den damals immer populärer werdenden Boybands oder Turbo-Popstars à la Britney Spears.
Das Long Covid der Popmusik
Das alles zahlt auf das Selbstverständnis der gesamten Branche ein: Popmusiker:innen haben entweder Genies zu sein, die nicht nach Geld fragen, oder sie haben sich dem Geld und damit der künstlerischen Unmündigkeit hinzugeben. In beiden Fällen sieht es schlecht aus für die Musiker:innen, deren Expertise sowieso als billiges Gut angesehen wird: „Die Idee einer kreativen Arbeit gilt gemeinhin dem Kapital und seinen Investoren als vielversprechend, weil der in ihr enthaltene Begriff der Schöpfung, des Schöpferischen mit dem Versprechen einer Produktion von Wert aus nichts, einer creatio ex nihilo, zu wedeln scheint“, sinniert Diedrich Diederichsen in seinem Text „Kreative Arbeit und Selbstverwirklichung” bereits 2012. Er weist darauf hin, dass aus Sicht des Außenstehenden Kreativität keinen Rohstoff brauche, quasi aus dem Nichts erscheine. Eine Annahme, die völliger Quatsch ist, aber natürlich dazu beiträgt, dass man diejenigen, die kreativ arbeiten, nicht groß entlohnen muss.
Zusätzlich dazu war die Musikbranche in den letzten Jahren einschneidenden Umwälzungen ausgesetzt. Die Industrie erzählt sich selbst gerne von der dunklen Zeit um die Jahrtausendwende, als das Internet sie wie eine eiskalte Faust ergriff: Selbst die weitsichtigsten Label-Bosse hatten die Folgen der Digitalisierung nicht kommen sehen. Streaming erschien am Horizont und Napster war der erste Vorbote dafür; auf der Plattform konnte man kostenlos Dateien hoch- und runterladen. Zwar wurde der Service, damals vor allem aufgrund des unermüdlichen Kampfes von Metallicas Drummer Lars Ulrich, verboten. Aber der unaufhaltsame Wandel hatte längst eingesetzt: Der physische Tonträger wurde von der digitalen Distribution von Musik langsam, aber sicher abgelöst. Entsprechend brachen der Musikindustrie sämtliche Einnahmen ein und der Ruin drohte.
Als vermeintlicher Retter erschienen Streaming-Anbieter, auf die man sich in aller Verzweiflung stürzte – ohne dabei diejenigen zu schützen, die den Markt überhaupt existent machen: die Musiker:innen. Selbst Großkaliber, die sich öffentlich eher selten äußern – Helene Fischer, Sarah Connor oder Die Toten Hosen – setzten 2019 einen Brandbrief auf, in dem sie die unfaire Gewinnverteilung durch Streamingdienste anprangerten. Adressaten: die Major-Labels, bei denen sie unter Vertrag waren. Man würde meinen, dass sich erwähnte Künstler:innen wenig Sorgen um ihre Einnahmen machen müssen. Streamingdienste wie Spotify bevorzugen in ihrer Ausschüttung ohnehin die großen Stars. Connor und Co. ging es aber vor allem um die Verträge, die die Streamingdienste mit den Labels abgeschlossen hatten – in denen die Musik selbst eben nur eine untergeordnete Rolle spielt. Kurz gesagt: Mit dem Veröffentlichen von Musik verdienen Künstler:innen nicht mehr viel.
Mit der Pandemie brach außerdem die Live-Branche ein. Künstler:innen konnten nicht auf Tour gehen, diese Einnahmequelle versiegte also auch. Mit dem Ende der Pandemie verbesserte sich hier wenig: Als die Konzerte der sogenannten oberen 10.000 wieder losgingen, gewann man den Eindruck, dass alles wieder gut sei. Allerdings wurden in der ersten Hälfte des Jahres reihenweise Konzerte kleinerer bis mittelgroßer Acts abgesagt, etwa von Lie Ning, Antje Schomaker, Deichkind oder Tocotronic, um nur ein paar wenige zu nennen.
Diejenigen, die transparent darüber sprachen, gaben die steigenden Kosten für Transfer, Übernachtungen und Fachkräfte wie Tontechniker:innen bei gleichzeitig stagnierenden Vorverkäufen als Gründe an. Wer auf Tour geht, muss die Kosten oft vorstrecken, und wenn die eigenen Lebenshaltungskosten steigen, man während der letzten drei Jahre kaum was verdient hat und nicht mal die Sicherheit hat, dass das Geld wieder reinkommt, bleibt einem nichts anderes übrig, als ganz zu verzichten.
Das Zentrum für Kulturforschung brachte 2021 die Studie „Eiszeit? Studie zum Musikleben vor und in der Corona-Zeit” heraus. Daraus geht ein eindeutiger Trend hervor: Es ist eine Abwanderung aus den Musikberufen zu verzeichnen, es gibt Nachwuchsprobleme und das Image der Branche hat Verluste erlitten. Die Umfrage betrachtet einen sehr spitzen und kleinen Bereich der Branche, darunter auch Musiklehrer:innen oder klassische Musiker:innen. Allerdings ist vor allem am Fachkräftemangel zu erkennen, dass eine Abwanderung definitiv stattgefunden hat: Die Branche ist zu unsicher bei gleichzeitig viel zu schlechter Bezahlung. Warum sollten Fachkräfte nach der Pandemie in ein derart prekäres Arbeitsverhältnis zurückkehren?
Im Kontrast zu all dem eröffnete der Bundesverband Musikindustrie (BMVI) 2022, dass es der Musikindustrie so gut wie schon lange nicht mehr gehe: Die Branche verzeichnet Wachstum und Milliardengewinne. Eine Diskrepanz zur Situation der Musiker:innen, bei denen diese Gewinne offensichtlich nicht landen.
Der Luxus des Mitmachens
Musik zu machen und damit die breite Öffentlichkeit zu erreichen, war vermeintlich nie einfacher und billiger als heute: Instrumente, technisches Equipment und Software sind niedrigschwellig zu bekommen, dank Streamings und der sozialen Medien wie Instagram und TikTok steht einem die Welt offen. Es wird suggeriert, dass jede:r mitmachen kann, dass wir in einer Ära der großen Demokratisierung der Branche leben.
Betrachtet man das Ganze weniger romantisiert, sieht man eher noch mehr Möglichkeiten, den Wert von Musik und ihren Produzent:innen zu schmälern. Musik wird einer Dumpingkultur unterworfen – wer mehr Geld mit Streaming verdienen will, solle einfach schneller und mehr produzieren, befand Spotify-CEO Daniel Ek 2020 in einem umstrittenen Interview. Für Promoter:innen und Musiker:innen wird die Musik selbst so nur noch zu einem von vielen Marketingtools degradiert.
Das große Versprechen der totalen Teilhabe erfüllt sich nicht. Musikmachen auf einem professionellen Level wird teurer, die Bedingungen prekärer – vor allem für diejenigen, die eben nicht groß sind oder werden wollen sowie für Newcomer:innen. Dystopisch betrachtet könnte es passieren, dass die Kleinen aussterben und Newcomer:innen ein gewisses Kapital brauchen, um überhaupt starten zu können; also aus einer finanzkräftigen Klasse kommen müssen, Gönner:innen brauchen oder lukrative Werbedeals. Diese wiederum sorgen aber für eine weitere Bindung der Musiker:innen: Sie müssen dann zusätzlich der Agenda einer Marke entsprechen
Das Problem, das aus all dem hervorgeht, ist das der Teilhabe und der fehlenden Diversität. Wenn die Popmusik nur noch „von oben“ kommt, könnte das Folgen für das gesellschaftspolitische und progressive Potenzial von Popmusik haben. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die verhandelten Themen nicht divers genug sein könnten: Pop verkauft sich seit jeher durch sein Spiel mit marginalisierten Ästhetiken. Prof. Dr. Binas-Preisendörfer, Musik- und Kulturwissenschaftlerin an der Uni Oldenburg, stimmt im Gespräch zu: „Die subkulturelle Attitüde war spätestens seit den 1980er-Jahren die tendenziell erfolgreichste.”
Ein Beispiel ist etwa die Band The Strokes, deren Mitglieder sich als abgerissene Typen aus Brooklyn inszenierten, während sie allesamt Nepo-Babys mit Eltern in der Musikbranche sind. Die Fetischisierung der unteren Schichten gehörte schon immer zum Pop – ein zuverlässiger Nährboden popkultureller Innovationen. Das Problem besteht dann, wenn diese Marginalisierten selbst nicht mehr zu Wort kommen, weil ihnen die Wege durch finanzielle Barrieren versperrt werden. Dann wird das Prekariat nur noch zur ausgestellten Pose der Mittelschicht-Kids, und diejenigen, die die kritischen Themen wirklich angehen, dürfen nur noch von außen zuschauen und als Stichwortgeber existieren.Beyoncé führt das dieser Tage eindrucksvoll vor: Ihr neustes Album Renaissance ist der Schwarzen LGBTQI+-Szene gewidmet und damit auch ihrem Onkel, der zu eben jener Community gehörte, so das Narrativ. Wenige Jahre vor Renaissance beeindruckte Beyoncé bereits mit ihren Widerstandssongs gegen Rassismus, als sie etwa zusammen mit Kendrik Lamar von „Freedom“ sang. Anfang 2023 trat Beyoncé in Dubai auf. Für angebliche 22 Millionen Dollar ließ sich Queen Bey von einem Regime einspannen, dass schwulen Sex verbietet, in dem Homofeindlichkeit zum Alltag gehört und regelmäßig Vorwürfe gegen Menschenrechtsverletzungen laut werden.
Beyoncés Fans waren zu recht zutiefst enttäuscht. Zwar bekam die Schwarze LGBTQI+-Community dank der Musikerin unbestritten viel Aufmerksamkeit und diese Tatsache ist an sich natürlich gut. Gleichermaßen passierte hier ein Verrat an eben jener Community. Denn das ist das Paradoxe an Popmusik: Sie wirkt dennoch, wenn sie einen zeitlichen Nerv trifft. Heute noch stärker als früher, weil die Distributionsmöglichkeiten dank der Sozialen Medien so vielfältig sind: Memes, Symbole und Zitate verselbstständigen sich in Sekundenschnelle und gehen viral, wenn sie zum Zeitgeist passen. Dadurch herrscht ein Pluralismus der Wahrnehmungen: Eine Künstlerin wie Beyoncé kann gleichzeitig als LGBTQI+-Ikone gefeiert und hinterfragt werden.
Was beim Publikum aber auch unmissverständlich ankommt, ist, dass ernsthafte Probleme und Anliegen einer radikalen Aushöhlung unterworfen werden können. Zumindest, wenn sie zum bloßen Untersatz herabgewürdigt werden und somit nicht viel mehr als austauschbare Marketingkonzepte sind. Themen wie Feminismus, Rassismus, Tierrechte oder Ableismus werden verwässert, wenn sie zur bloßen Aufwertung der Marke großer Popstars genutzt werden. Die mögliche Folge: Wenn dem Publikum in Zukunft eingeimpft wird, dass ihre Probleme, Ängste und Traumata nichts weiter sind als ein Slogan, kann Popmusik seine Schlagkraft verlieren und in der Versenkung der Gleichgültigkeit untergehen.
Es ist noch immer gut gegangen!
Es ist eine dunkle Zukunft, die hier gezeichnet wird. Das beruht auf jahrelangen Beobachtungen der Branche und unendlichen Gesprächen mit ihren Akteur:innen. Und aus der Angst, dass wir vor einem Paradigmenwechsel stehen, der zur Folge hat, dass die emotionale, menschliche Seite der Popmusik irgendwann wegrationalisiert wird und wir eine totale Verödung erleben. Weil im öffentlichen Popmusik-Diskurs weiterhin Bezahlung gegen Anspruch ausgespielt wird, weil Kreativität weiterhin als wertlos erachtet wird, weil sich die Mächtigen mit aller Leidenschaft der Austrocknung der eigenen Szene widmen und dabei, wie schon beim Streaming, keine Weitsicht beweisen.
Es liegt in der Natur der Popmusik, dass sie einerseits die bestehenden Verhältnisse spiegelt und sich gleichzeitig an diese anpasst. Die Fähigkeit, die Verhältnisse subversiv zu unterwandern und ästhetisch zu transformieren, das ist der inhärente Wert von Pop. Aber reicht es wirklich, sich darauf zu verlassen, dass Pop es schon irgendwie selbst richten wird?
Wahrscheinlich nicht. Stattdessen muss sich ein Aufstand von unten bilden, und zwar keiner mit Fackeln und Plakaten auf der Straße, der auf gut klingenden Ideologien beruht. Sondern einer, der sich ganz praktisch mit den eigenen Möglichkeiten auseinandersetzt – und mit sehr langweiliger Bürokratie. „Musiker:innen müssen sich zu Verbänden und Interessengruppen zusammenschließen und vor allem den Fokus auf den Schutz ihres Urheberrechts setzen“, mahnt Jörg Heidemann, Geschäftsführer des Verbands für unabhängige Musikunternehmer:innen (VUT). Laut seiner Erfahrung wissen viele Künstler:innen nicht, an welchen Stellen ihnen Geld zusteht, wie man mit der GEMA oder mit Tantiemen umgeht. Umso wichtiger werden diese Themen mit den neuesten technischen Entwicklungen – Stichwort KI –, die Kreativität nach Mustern auswerten und zu imitieren lernen.
Es muss eine Inventur des eigenen Musiker:innen-Berufsbildes geben. Wenn Popmusiker:innen schon von Wirtschaftsförderungen abhängig sind, muss ihre kreative Arbeit auch als solche ernst genommen und wertgeschätzt werden. Muss das verkopfte Genie also sterben, um zu leben? Nein. Das wäre auch ganz schön dramatisch ausgedrückt. Es muss sich nur mal an den Schreibtisch setzen und von dort aus eine Revolution starten. Das ist wenig heroisch, aber potenziell wirksam.