Popmusik als Inspiration: Roland Kaiser

Wenn man die Freiheit einsperrt, dann ist sie weg

Polaroid: Roland Kaiser

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Magazin 01 / 2023

Online Veröffentlicht

11 September 2024

Seit fast 50 Jahren schafft es Roland Kaiser, Menschen unterschiedlichster Generationen für sich und seine Musik zu begeistern. Kaisers Schlager ist Zeitgeist. Das liegt vielleicht auch daran, dass ihn ein gewisser österreichischer Liedermacher zur richtigen Zeit maßgeblich geprägt hat.

Roland Kaiser

Ich bin jemand, der seit frühester Kindheit sehr politisch ist. Ich habe Berlin erlebt, als die Mauer gebaut wurde. Ich habe erlebt, wie Menschen sich nach Freiheit sehnten und Angst hatten, dass auch sie bedroht werden, von der Macht aus dem Osten damals. Dieser Wunsch nach Freiheit, der Wunsch nach politischer Teilhabe und nach Offenheit, ist tief in mir verwurzelt.

Jemand, der diesen Wunsch in seiner Musik immer wieder formuliert hat, ist Georg Danzer. Er hat meinen musikalischen Weg maßgeblich beeinflusst. Danzer war ein österreichischer Liedermacher und ein wunderbarer Künstler, der mich nachhaltig beeindruckt hat. Wir waren lange Zeit eng befreundet, leider ist er viel zu früh gestorben. Zum ersten Mal gesehen habe ich ihn 1979, auf einem Konzert in der Eissporthalle in der Berliner Jafféstraße. Der Laden war fast voll. Danzer hatte gerade erst angefangen, in Deutschland Konzerte zu spielen. Ich selbst war noch weit davon entfernt, Konzertsäle, Arenen oder gar Open-Air-Gelände zu spielen. Mittlerweile darf ich das zum Glück ja auch.

In Deutschland war Danzer damals noch ziemlich unbekannt. Trotzdem hat er sich durchgesetzt, aufgrund seiner Live-Arbeit. Ich war fasziniert von seiner unkonventionellen Art, mit Worten umzugehen, seine Gedanken zu formulieren. Er war ein großartiger Künstler mit vielen Visionen und frühen Erkenntnissen, wo es für die Welt hingeht. Das hat mich sehr inspiriert. Er hat einen Song geschrieben namens „Die Freiheit“. Ein fantastisches Lied. Darin geht es um Menschen, die in den Zoo gehen. Sie sehen dort ein Schild an einem leeren Käfig, auf dem „Freiheit“ steht. „Warum ist hier in dem Käfig nichts drin?“, fragen sie den Zoowärter. Der antwortet: „Wenn man die Freiheit einsperrt, dann ist sie weg.“

Bild: Georg Danzer

Bild: Georg Danzer

 

Das Lied ist von 1979 – aber es lässt sich auf unsere heutige Zeit übertragen. Europa rückt heute nach rechts. Das wird auch eine Einbuße an Freiheit mit sich bringen. Danzer hat das früh sehr gut beschrieben. Genau wie in „Frieden“, seinem Lied von 1981. Darin hat er Waffen verdammt und gesagt: „Wir wollen keine Konfrontation mit anderen Völkern. Wenn ihr sie wollt, dann führt doch euren Krieg selber.“ Als hätte Danzer geahnt, dass wir in Europa einmal wieder Krieg haben werden. Geschichte kann sich wiederholen. Davor habe ich Sorge. Deshalb bin ich auch gerne bereit, immer wieder zu mahnen und zu warnen.

Ich finde, Interpret:innen haben eine Verantwortung, sich zu positionieren. Das müssen sie nicht im Konzert tun, weil wir als Künstler:innen eine Vereinbarung mit dem Publikum haben. Die Menschen kommen in meine Konzerte, um dort Unterhaltung zu erleben. Eine Auszeit von Problemen. Es wäre nicht der richtige Weg, sich im Konzert mit politischen Diskussionen oder langen Reden auseinanderzusetzen. Da habe ich andere Gelegenheiten.

Ich habe 2015 in Dresden auf einer Kundgebung für Weltoffenheit und Toleranz eine Rede gehalten. Ich habe die Leute aufgefordert, dass wir offen sein müssen für andere Kulturen, für andere Menschen, die zu uns kommen. Dass ich stolz darauf bin, ein Deutscher zu sein und in dem Land zu leben, in dem man Menschen aufnimmt, die in ihrem Land verfolgt und mit dem Tode bedroht werden. Das habe ich mir erlaubt zu sagen. Weil in Dresden eine laute Minderheit eine schweigende Mehrheit dominiert hat und damit das Ansehen der Stadt komplett falsch dargestellt hat. Plötzlich war Dresden nur noch die Pegida-Stadt.

Dabei habe ich die Menschen dort als sehr weltoffen und freundlich kennengelernt. Als Menschen, die keinen Fremdenhass in sich tragen. Aber die wenigen lauten Leute haben diese Stadt dominiert und ihr Bild verändert. Es gehört Mut dazu, das auszusprechen. Aber wir müssen es tun, wenn wir eine Stimme haben. Für mich bedeutet Mut, Meinungsstärke zu zeigen. Wenn man merkt, dass Dinge aus dem Ruder laufen, seine Popularität, seine Stimme zu nutzen, um etwas dagegen zu sagen. Es fällt mir selbst nicht schwer, etwas dazu zu sagen. Es würde mir schwerfallen, den Mund zu halten. Aber natürlich ist niemand frei von Angst. Mut ist für mich die Überwindung von Angst.

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