Um sich als Songwriterin in der Musikszene und vor allem im männerdominierten deutschen Hip Hop einen Namen zu machen, braucht man breite Schultern – und Rückgrat.
Diese Haltung schwingt in allen Songs, die Karo Schrader für bekannte Popmusiker:innen schreibt, stets mit.
Wenn du als Frau sagst: „Ich will Musik machen“, dann heißt es meistens: „Dann werd’ Sängerin.“ Ich wusste lange nicht, dass Songwriterin ein Beruf ist. Wahnsinnig wenige weibliche Songwriterinnen schaffen es, sich in dieser männerdominierten Branche durchzukämpfen. Dabei gibt es total viele – aber ihnen fehlt die Sichtbarkeit. Diesen Weg einzuschlagen, war für mich ein mutiger Schritt. Aber es gab für mich nie einen Plan B.
Ein Song, der mir persönlich wichtig ist, ist „Blau“ von Luna. Darin singt sie über ihr Outing. Der Song ist mittlerweile eine Hymne für die LGBTQI+-Community. Dieses Lied hat extrem viele Menschen generationsübergreifend bewegt und ihnen Mut gemacht. Luna hatte in der Session diese Songskizze dabei: „Mama hat gesagt: ,Kind, lass dich nicht verbiegen. Lass die Leute labern!‘ Hab’s gemacht, leb in Frieden.“ Wir wussten, wenn wir dieses Lied gemeinsam schreiben, müssen wir ihr viele Fragen stellen, damit es authentisch ist. Und sie hat sich darauf eingelassen.
Es war ein wahnsinnig intimer Songwritingprozess. Luna war damals erst 17. Da spüre ich als Person, die schon lange in dieser Branche arbeitet, auch eine gewisse Verantwortung. Ich möchte gerade meinen jungen Künstlerinnen das Gefühl geben, dass sie in einem Safe Space sind. Ich bin nicht nur die Person, die mit dir dein Lied schreibt. Ich guide, gebe Ratschläge, hake und frage nach, umarme und pushe meine Künstler:innen aus ihrer Komfortzone. Ich grabe da manchmal extrem tief und versuche, zum Kern der Person durchzudringen. Im Endeffekt ist es wie eine Art Therapie. Das ist ein Miteinander. Ich verstehe es als meine Aufgabe, meine Künstler:innen zu ermutigen, sich etwas zu trauen.
„Gott macht keine Fehler. Ich weiß, dass er mich so gewollt hat.“ Diese Zeile aus „Blau“ ist mir eingefallen und ich hab gesagt: „Leute, ich weiß, Gott, Kirche, Homosexualität – ist ein Tabuthema. Aber diese Zeile kann so viel aufmachen. Die ist so stark. Wir dürfen keine Angst davor haben.“ Diese Zeile im Song drin zu lassen, war für uns alle eine mutige Entscheidung, die sich als richtig entpuppt hat.
Mir wurde oft gesagt: „Karo, krass, dass du dich das traust. Ich hätte mich das nicht getraut.“ Gerade im Hip Hop war es anfangs sehr schwierig als Frau. Außerdem stehen Songwriter:innen am Ende der Nahrungskette. Otto-Normal-Hörer:innen denken, Künstler:innen schreiben ihre Songs allein im stillen Kämmerlein. Der Beruf des Songwriters ist der breiten Masse nicht bekannt. Auch, weil es ein Tabuthema ist – gerade im Hip Hop. Da geht es um Kredibilität. Das ist ein Ego-Problem oder vielleicht auch einfach Angst. Ich habe schon erlebt, dass in den Credits alle erwähnt wurden, nur ich nicht. Das ist eine Katastrophe – wir Songwriter:innen leben von den Credits.
Auch deshalb ist Sichtbarkeit so wichtig. Ich verstehe nicht, warum so viele Künstler:innen ein Problem damit haben, zu sagen: „Ich sitze mit Songwriter:innen zusammen, wir reden über alles und machen das gemeinsam.“ Du musst doch nicht alles allein machen. Einen Song zu schreiben, ist ein Miteinander. Darüber muss mehr gesprochen werden.
Schau dir die Credits von Drake an. Da stehen alle Leute drin. Kanye hat einmal sogar seinen Koch in die Credits geschrieben. Beyoncé schreibt ihre Songs auch nicht selbst. Sie ist einfach eine wahnsinnig gute Interpretin und alle feiern sie dafür. Das nervt mich an Deutschland, dass hier nicht mehr über Prozesse gesprochen wird. Ich bin Songwriterin, weil ich das liebe. Ich muss nicht im Vordergrund stehen. Aber ich muss fair vergütet und wertgeschätzt werden.
Ich setze mich zum Beispiel dafür ein, dass man als Songwriter:in eine Tagesgage bekommt. Es kann nicht sein, dass Songwriter:innen ein Lied nach dem anderen schreiben, am Schluss wird keins genommen und du hast einen Monat kostenlos gearbeitet. Vom Urheberrecht oder den Streaming-Ausschüttungen allein kann kaum jemand leben.
Ich hoffe, dass ich etwas verändern kann. Dass es besser läuft für Songwriter:innen, aber auch generell für Frauen in der Branche. Aber wenn ich mir die junge Generation anschaue, habe ich Hoffnung: Die haben solche Skills – badmómzjay, Luna, Zoe Wees, aber auch Künstler wie siovo oder TJARK. Die Kids trauen sich heute mehr und haben ganz andere Werte mitgeliefert bekommen. Die sind jetzt in ihrem Alter schon Vorbilder. Weil sie mutig sind.