Sie stempelt die Farbe ihrer Lippen auf die Lieblingstasse. „Feel Good Managerin“ prangt auf dem Porzellan. Ein Geschenk von den Kolleg:innen, die sie liebevoll oft so nennen. Oder ganz gagig „BMG“. Wahlweise steht das griffige Kürzel für Bea Mendl Glücksbärchi, Bea Mendl Gangster oder eben für ihren wahren Jobtitel „Beauftragte für Mentale Gesundheit“. Ihre Aufgabe ist es, die Köpfe in Deutschlands größter Plattenfirma gesund zu halten.
Zunächst aber bewegt die Diplom-Psychologin ihren Kopf an diesem Morgen – und das mit heißem Getränk in der Hand – von rechts nach links, dehnt den Hals in Richtung „Tschakka!“ für den Tag. Eine gesunde Morgenroutine sei nicht zu unterschätzen. „Ich nehm’ mir hier jeden Tag in der Früh erst mal ein paar Minuten für mich selbst, investiere in mich. Minuten, in denen ich nichts zwischen mich und meinen Grüntee kommen lasse. Dann schreib’ ich mir Intentionen für die nächsten Stunden auf – und meist kommt mir dann die Frage des Tages in den Sinn“, sagt Mendl.
Was sie damit meint, wird einige Minuten später klar, als sie den Button auf ihrem Schreibtisch drückt, das kleine Lämpchen rot aufleuchtet und sie sich über das Mikrofon beugt: „Guten Morgen. Heute frage ich dich: Lebst du dein volles Potenzial?“ Es schallt zeitgleich durch den großen gläsernen Kasten, durch jedes einzelne Büro. Sogar bis ins Klo. „Da sind meine Fragen vielleicht sogar am besten aufgehoben“, erklärt Mendl glucksend. Auf dem stillen Örtchen, das in diesem Fall keines sei, würden die Menschen am meisten sinnieren. Viele würden auf der Kloschüssel meditieren.
Seit die deutsche Finanzpolitik auch die mentale Gesundheit auf dem Radar hat, der Bund die Bezuschussung von therapeutischen Planstellen in der Musikindustrie vorangetrieben hat, gibt es in jeder Plattenfirma, in jedem großen Musikverlag oder Management-Haus mindestens eine Person wie Mendl. „Und das braucht es auch! Ich erinnere mich noch zu gut an die Zeiten, an denen zu kurz gedacht wurde: Musiker:innen wurden nicht vorbereitet auf Erfolg und vor allem Misserfolg. Das Touring war auf Überforderung ausgelegt. Es gab eine selbstverständliche Erwartung an Menschen aus der Musikbranche, auf jedem Abendevent – vielleicht sogar mit Koksi Koksi – aufzutauchen. All das hat die Menschen krank gemacht und irgendwann fallen sie dann natürlich aus“, so Mendl.
Ihr Job sei es, Unternehmen zu zeigen, dass es sogar wirtschaftlicher sei, in die mentale Gesundheit der Leute zu investieren. „Viele Menschen gehen bei Schnupfen selbstverständlich zum Arzt. In der Musikbranche haben Kreativschaffende jetzt schon beim ersten Niesen im Kopf die Möglichkeit, Hilfe zu bekommen. Es gibt hier Strukturen, dass sich mental erst gar keine Grippe entwickeln muss“, sagt die Mittfünfzigerin. Dann muss sie selbst etwas über ihr Gleichnis schmunzeln.
10:03 Uhr. Es klopft. „Ja, komm reeeeeein“, trällert Mendl. Hinein tritt das neueste Signing des Hauses, Yara. Sie hat heute ein Onboarding bei der BMG. Routinetermin, aber nicht weniger wichtiger als ein spontaner therapeutischer Notfall. Die beiden Frauen nehmen auf dem senfgelben Sofa Platz, dem Safespace, wie Mendl Yara erklärt. Sie unterliege der Schweigepflicht und dürfe den Arbeitgeber:innen keine Infos weitergeben. Alles, was in diesem Raum besprochen werde, bleibe auch darin. „So wie in Vegas.“ Ihre Aufgabe sei es, dafür zu sorgen, dass Yara den Raum fühlt, der ab sofort für ihre Gefühle und Sorgen da sei.
Die Frauen lernen sich kennen, sprechen über Erwartungen an den neuen Plattendeal, Schlafrhythmen, Therapie-Hacks von TikTok. Nach einer Stunde sagt Mendl zu Yara, dass sie sich jederzeit bei ihr melden könne. Ansonsten würde sie einfach mal einen Termin für ein Follow-up in vier Wochen einstellen. „Und herzlichen Glückwunsch nochmal zum Plattendeal, das muss so aufregend sein!“ Als die Tür ins Schloss fällt, geht Mendl zurück an den Schreibtisch und zieht ein quadratisches Büchlein aus der Schublade. „One ‚Thank you‘ a day keeps the doctor away“ hat sie handschriftlich darauf geschrieben. Sie klappt die letzte beschriebene Seite auf und ergänzt: „Danke, dass ich diesen sinnvollen Job machen kann, der Menschen mit all ihren mentalen Facetten ernst nimmt.“
Diese Facetten seien es, die sie mit großer Sorgfalt versuche zu sehen. Sie begreife ihre Arbeit als selbstverständlich intersektional. Das bedeute, dass sie die Verschränkung von Herausforderungen sehe und darauf auch sensibel reagiere. Eine Musikerin habe per se schon mal andere Herausforderungen in der Branche als ein Musiker, sagt sie. Und führt fort: Eine Schwarze Musikerin habe wieder andere Themen. Oder eine Frau im Rollstuhl. Dazu kommen unterschiedliche sexuelle Zugehörigkeiten, Religionen, Klassen und so weiter – andere Erwartungen, andere Realitäten. „Deswegen ist mein Beruf wie ein inneres Blumenpflücken. Jede Blüte und jede Farbe ist wichtig, um am Ende einen tollen Strauß zu haben.“
Aus diesem Grund habe sie auch den „Mendl Health Circle“ eingeführt, einen Stuhlkreis in Themen geclustert, die auch von den Menschen aus dem Label kommen können. Ihre Themen. Am Nachmittag geht es zum Beispiel um „Decolonizing Psychology“, den Vorschlag eines Produktmanagers, der was dazu vorbereitet hat. Im Intranet hagelte es Herzen für den heutigen Kreis, Mendl hat den großen Konfi geblockt.
0800 1110111 tippt sie in das leere Feld und klickt auf Bestellen. Sie hat gerade 1.000 Schlüsselanhänger bestellt, eingraviert ist die Nummer der Telefonseelsorge. Mendl fühlt sich selbstwirksam und wertvoll hier im Unternehmen. Sie bringt weder Musik heraus noch entdeckt sie junge Talente, und dennoch weiß sie um ihren enormen Beitrag. Sie sei eine Säule irgendwo zwischen Überforderung, Überhöhung und Komplex – für Künstler:innen und Musikindustriearbeitende. Ihre Themenfelder reichen von Lampenfieber über Selbstständigkeit bis hin zu Schaffenskrisen.
Zu ernsthaften psychischen Erkrankungen will sie es mit ihrem Ansatz gar nicht erst kommen lassen. „Abgesehen von Begleitung und Überweisung bei schweren seelischen Belastungen, die nehme ich als Psychologin nämlich sehr ernst“, betont sie, einen Finger in der Luft. Kurze Kunstpause. Dann setzt sie wieder an: „Langweilig wird’s mir nicht: Periodentracking habe ich mal mit einer Mitarbeiterin gemacht. Bin mit einem Musiker Halbmarathon gelaufen und habe einen anderen zur Beerdigung der Mutter begleitet. Mit manchen mache ich Yoga oder Breath-Work.“ Stichwort Atmen. Mendl betätigt wieder die Durchsage: „Zum Mittag ein kleiner Reminder: Hast du heute schon bewusst tief ein- und ausgeatmet?“
AKT II: DIE REALITÄT
Billie Eilish: „Letztes Jahr, als ich während der Europatournee an meinem Tiefpunkt war, hatte ich Angst, dass ich einen Zusammenbruch erleide und mir den Kopf rasiere.“
P!nk: „Mit Anfang 20 bekam ich plötzlich richtig schlimme Panikattacken. Ich hatte niemanden, mit dem ich darüber sprechen konnte und wusste nicht, was ich tun sollte. Es fühlte sich an, als hätte ich Schlaganfälle. Ich hatte Schlaganfall-Symptome und das hat mir riesige Angst gemacht.“
Justin Bieber: „Der bloße Gedanke an Musik stresst mich.“
Katy Perry: „Ich wusste nicht, was mein Leben war und wer ich selbst war. Ich konnte mir nicht vorstellen zu leben. Ich war klinisch depressiv.“
Robbie Williams: „Ich habe ADHS, Depressionen, Legasthenie und Angst vor sozialen Situationen wie heute Abend. Und ich bin ein Alkoholiker. Ich bin ein Süchtiger.“
Stromae: „Ich musste einmal all das loswerden, was ich auf den Schultern getragen habe. Diesen Druck, den der Erfolg mit sich bringt.“
Ed Sheeran: „Wir haben ein Mental-Health-Problem überall auf der Welt. Vor allem bei kreativen Leuten.“
Lady Gaga: „Ich kämpfe immer noch mit meiner psychischen Gesundheit, und ich kämpfe immer noch mit meinen Ängsten, aber ich habe gelernt, dass Verletzlichkeit Stärke ist.“
Shawn Mendes: „„Ich war in so negativen Gedanken gefangen. Es ist so eine Überforderung, erfolgreich zu sein.“
Demi Lovato: „Seit meiner Jugend habe ich mit Selbstmordgedanken und Depressionen zu kämpfen. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, das Bewusstsein für die psychische Gesundheit zu schärfen, denn es ist möglich, das Licht zu sehen, wenn man mit der Arbeit an sich selbst beginnt.“
Ellie Goulding: „Plötzlich bekam ich Panikattacken. Das Schlimmste war, dass sie durch alles ausgelöst werden konnten. Ich bedeckte mein Gesicht mit einem Kissen, wenn ich aus dem Auto ins Studio ging.“
Kid Cudi: „Ich bin einfach ein beschädigter Mensch, der jeden Tag meines Lebens in einem Pool von Emotionen schwimmt. In meinem Herzen tobt ständig ein heftiger Sturm. Ich weiß nicht, wie sich Frieden anfühlt. Ich weiß nicht, wie man sich entspannt.“
Charli XCX: „Ich habe in den letzten Monaten viel mit meiner psychischen Gesundheit zu kämpfen gehabt, und das macht es natürlich schwieriger, mit Negativität und Kritik umzugehen, wenn ich damit konfrontiert werde.“
Adele: „Ich habe Angstattacken, ständige Panik auf der Bühne, mein Herz fühlt sich an, als würde es explodieren, weil ich nie das Gefühl habe, dass ich jemals etwas abliefern werde.“
Alessia Cara: „Lange Zeit hatte ich immer das Gefühl, wenn ich eine Therapie mache, wenn ich Medikamente nehme, wäre das so, als würde ich einer Art Schwäche erliegen. Aber in der Verletzlichkeit liegt eine Menge Stärke, und es liegt eine Menge Stärke und Offenheit darin, ehrlich zu sein.“
AKT III: DIE TRANSFORMATION
Psyche im Pop, was für ein großes Feld. Es erstreckt sich von Belastung über Inspiration. Dazwischen Hashtags, Trendwellen und Suffer-Communities: Wie war das nochmal mit dem Klub 27? Mit jenen Künstler:innen, die mit 27 (Farewell: Jimi Hendrix, Kurt Cobain, Amy Winehouse, …) dem Druck nicht mehr standhielten und aus dem Leben schieden? Oder mit dem Emo-Zeitalter, in dem der Schmerz einer Generation mit schwarzem Kajal in die Gesichter geschrieben stand und das kollektive Leid (Hi: My Chemical Romance, Panic! at the Disco, Paramore, …) musikalisch hörbar wurde? Oder die Sad-Girl-Era, in der Musikerinnen (Lookin’ at you: Billie Eilish, Lana Del Rey, Tate McRae, …) die Ästhetik der Melancholie hochstilisieren?
In der Popkultur wird psychischer Druck oftmals nicht nur zur Quelle der kreativen Schaffenskraft verklärt, sondern eben auch zum verbindenden Element, zur Identifikation, zur Anlaufstelle. Der heutige offene Umgang mit Depressionen, ADHS oder Angststörungen zeigt vielen Menschen, dass sie nicht allein sind mit ihren Herausforderungen, gibt Kraft, sorgt für Awareness. Viele Künstler:innen bringen mittlerweile den Mut und die Kapazitäten auf, über ihren seelischen Zustand zu sprechen oder zu singen. Es scheint fast, als wäre das Stigma rund um mentale Krankheiten im Pop gar endgültig abgeschafft. Trotz vermeintlicher öffentlicher Enttabuisierung drängt sich die Frage nach dem Grundproblem auf: Krankt das Musikbusiness?
Laut WHO erkrankt in den Industrieländern etwa einer von fünf erwachsenen Menschen an Depressionen. In Deutschland schätzt die Deutsche Depressionshilfe die Betroffenen auf 5,3 Millionen. Und jetzt wird’s spannend: Eine Studie, die von der britischen NGO Help Musicians 2017 in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass Musiker:innen und Menschen, die in der Musikindustrie arbeiten, mehr als dreimal so häufig mit Depressionen und Angststörungen zu kämpfen haben als Personen anderer Berufsgruppen. Hallo? Und die Zahlen stammen aus der Prä-Pandemie-Zeit! Während in dieser Gruppe 39 Prozent der Befragten angaben, an derartigen Krankheitssymptomen zu leiden, sind auch neun Prozent der befragten Musikmanager:innen, sieben Prozent der unterschiedlichsten Angestellten in Plattenfirmen und vier Prozent derer, die an der Tonproduktion arbeiten, betroffen.
Work Life Ballast
Woran liegt es also, dass immer mehr Menschen innerhalb der Pop-Szene psychisch krank werden? „Das ganze Business ist durch Social Media und Streaming-Algorithmen viel schnelllebiger geworden, der Druck – auch zur Selbstdarstellung und -Vermarktung – ist deutlich größer geworden. Das wirkt sich auf die mentale Gesundheit aus“, sagt Michael Wecker vom Verband Mental Health in Music (kurz MiM).
Wecker zählt auf, dass die Anforderungen gerade an junge Künstler:innen und diejenigen ohne die Riesen-Hits enorm seien: „Es geht dabei nicht mehr darum, zu singen oder ein Instrument zu spielen. Sondern sich auch zu promoten, zu netzwerken, eine Reichweite aufzubauen, Auftritte zu organisieren. Das ist natürlich ein erheblicher Stressfaktor für viele.“ Neben psychologischer Einzel- und Teamberatung umfasst MiMs Angebot Workshops und Seminare rund um das Thema mentale Gesundheit. „Am wichtigsten ist es eigentlich aus meiner Sicht, Informationen, also eine Sensibilität, dafür zu schaffen“, sagt Wecker.
Zusammen mit den Psychologinnen Anne Löhr und Franziska Koletzki-Lauter sorgt er seit 2020 daher für Anlaufstellen und für mehr Aufmerksamkeit – unter anderem für das gefährliche Ineinanderfließen von Arbeit und Freizeit in der Musikszene. „Man arbeitet ja mehr oder weniger dort, wo andere Menschen feiern. Das sind natürlich auch Bedingungen, die langfristig nicht so wahnsinnig gesundheitsförderlich sind“, so Wecker.
Konkurrenzdruck und steile Erwartungen
Ludivine Aubry war während des Studiums der Popularmusik an einer therapeutischen und medizinischen Beratungsstelle für Musiker:innen tätig. Ihre Forschung zum Thema Lampenfieber wurde ausgezeichnet. Aubry sagt: „Oft ist das Musiker:innen-Dasein so stark in der eigenen Identität verankert, dass man das Gefühl hat, den äußeren und inneren Ansprüchen pausenlos gerecht werden zu müssen. Das führt zu Krankheit oder dazu, unangenehme Emotionen durch spezifische Verhaltensweisen zu kompensieren.“
In Musik im Kopf. Der Podcast über Musiker:innen, Music Minds & Mental Health spricht die Psychologin heute mit Künstler:innen wie Alice Merton oder Lina offen über psychische Herausforderungen. „Ein Podcast ersetzt sicherlich keine Therapie – dennoch sind einzelne Worte und Übungen manchmal kraftvoller, als sie zunächst erscheinen“, sagt Aubry. Es gäbe durchaus spezifische Störungsbilder, die durch die besonderen Rahmenbedingungen, die die Musikbranche mit sich bringt, gehäufter vorkommen: „Ganz klassische Beispiele sind Lampenfieber, Substanzabhängigkeit oder die berühmte Post-Tour-Depression.“
Weder die klassische Psychologie noch die Neurologie oder Metaphysik hätten hier alle Antworten auf die ganzheitlichen Bedürfnisse eines Menschen, sagt auch Alexandra Liakou. Als Conscious Coach, also Bewusstseinsberaterin und Expertin in Bezug auf Selbsterkenntnis, arbeitet Liakou ganzheitlich mit Künstler:innen und Führungskräften in der Musikindustrie: „Eine Tendenz, die ich auch unter meinen Kund:innen wahrnehme, ist ein tiefes Bedürfnis, in diesem Ozean der Stimuli etwas zu schaffen, das eine Substanz übermittelt und Zuhörende tief erreicht. Eines meiner Lieblingsthemen, die ich gerne mit meinen Künstler:innen angehe, ist die spielerische Lust zur Sache selbst wiederherzustellen.“
Kunst- und Musikschaffende bräuchten Ruhepausen, bei denen sie den äußeren Lärm ausschalten, um die innere Stimme wieder hören zu können. Aber: Um nicht an den Erwartungen – den eigenen, wie denen der Fans und Industrie – zu erkranken, bedarf es gesunder Strukturen. „Musiklabels und Veranstalter:innen müssen verstehen, dass die Qualität einer Performance vom Wohlbefinden der Kunstschaffenden gespiegelt wird, gar abhängt. Deswegen würde ich dieser Branche wünschen, die Wichtigkeit mentaler Gesundheit der Künstler:innen, aber auch die ihrer Teams als neue Norm und Priorität zu sehen“, sagt Liakou.
Sind Inhouse-Therapeut:innen die Lösung? Liakou sieht darin einen großen Vorteil – schließlich gebe es auch bei Top-Athlet:innen Chiropraktiker:innen und Mindcoach:innen, die am Spielrand stünden. „Das ermöglicht, dass jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit wahrgenommen werden kann, denn obgleich einige Themen universell gültig sind, ist doch die Reise und Wahrnehmung eines jeden ein Unikat. Deswegen arbeite ich mit der Selbsterkenntnis und biete Tools an, die sich auf unsere innere Technologie beziehen.“ Somit schaffe man nachhaltige Strukturen in der Branche, die das Erschaffen ohne Erschöpfung ermöglichen. „Denn unser Sein, eine Symbiose von Körper, Geist, Seele, ist ein hochkomplexer, unfassbar fein gewobener Mechanismus, der auf verschiedenen Prozessen basiert.“
Auch die Psychologin Ludivine Aubry kann sich für das Gedankenexperiment eines „Beauftragten für mentale Gesundheit“ öffnen. Die große Chance sieht sie aber noch vor Beginn der Karriere: „Wir sollten früh ansetzen, beispielsweise schon im Musikstudium selbst. Durch Aufklärung, spezifische Kursangebote oder auch therapeutische Beratungs- und Begleitungsmöglichkeiten kann man schon vieles auffangen.“
Dieser Aussage stimmt auch Michael Wecker zu: Zum Beispiel kooperiere MiM mit zahlreichen Initiativen und Hochschulen. Durch eine enge Vernetzung und Kooperation mit weiteren Vereinen und Initiativen der Musikbranche erleichtert der Verband außerdem Zugänge zu Hilfs- und Aufklärungsangeboten. Unabhängige Stellen liefen nicht in Gefahr von Interessenskonflikten, da der Gesundheitsfaktor über dem Wirtschaftsfaktor stehe. Denn obgleich mittlerweile eine gewisse Offenheit für das Thema mentale Gesundheit herrsche betont Wecker: „Die Branche profitiert auch von Menschen, die über ihre Grenzen gehen. Die alles aufgeben für ihren Traum.“
Kultur als treibende Kraft des gesellschaftlichen Wandels: Check. Die Verantwortung dafür tragen aber nicht allein Künstler:innen. Abseits von gefühligen Songs muss in den Strukturen ein Verständnis für die diversen mentalen Herausforderungen herrschen. Die Expert:innen Wecker, Aubry und Liakou sind sich einig: Wenn die Musikbranche in all ihren Instanzen die psychische Gesundheit ernst nehmen würde, hätten alle viel länger was von der Musik. Und gäbe es Bea Mendl wirklich – wir erinnern uns an die Beauftragte für Mentale Gesundheit in Akt 1 –, dann würde sie aus diesem Fazit bestimmt einen Spruch für ihren Mitarbeiter:innen-Kalender basteln.
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